SIELE IN OSTFRIESLAND - FRIESLAND
und die Grenzbereiche  Wesermarsch und Niederlande
   Historische Sielbauten     www.sielwerk.de    
 

Greetsiel - alte Siele - neue Siele - vom Siel zum Sielhafenort


Greetsiel ist als exemplarisches Beispiel geeignet die Entwicklungen im Sielwesen von den Anfängen bis in die Zukunft auf eine Zeitlinie sichtbar werden zu lassen.
Erste alte Baum,-Klapp,-u. Pumpsiele sind in der Krummhörn um 1000 n. Chr. nachgewiesen - es folgten Holz -u. Steintorsiele und Schöpfwerke. Das Siel,- Schleusen-u. Sperrwerk  Leysiel ist vorerst das letzte wassertechnische Bauwerk in der Krummhörn und Umgebung.
Doch der Klimawandel bringt neue Herausforderungen : Neue dezentrale Hightech-Rohrsiele sind mögliche Entwässerungsmodule der Zukunft.





Alte Sielstandorte in Greetsiel



Die Ersterwähnung Greetsiels geht auf das Jahr 1394 mit " int Greet " zurück, es folgen weitere ähnliche Ortsbezeichnungen. 

Alte Siele in und um das spätere Greetsiel sind in der 2. Hälfte des 14. Jh. mit Sicherheit gelegt, u.a. am alten Tief von Pilsum.

Schon 1364 wird ein Siel, das "capma sill " -Kaufmannssiel -,von Pilsum nach " Grede " verlegt. Eine weitere Quelle ( H.-Habbo Herlyn, in: Der Deichwart Nr. 11 -1976 - berufend auf J. Ohling, Die Acht und ihre 7 Siele )  berichtet " das schon im Jahre 1388  vom Hafenort up de Greete berichtet wird ".

1406 wird erstmalig der Beiname "zyl " im Namen ergänzt, der aber nicht durchgängig beibehalten wird. Zwischen 1408 und 1420 sind folgende Ortsbezeichnungen bekannt:

" in der Greth  - de Gret - uth der Greet ". Ab 1421 festigt sich verschmelzend Ortslage und Siel zu einer Ortsbezeichnung. Aber immer noch sind unterschiedliche schriftliche Schreibweisen im Umlauf: " in de Grietzyhle  - in Groetzyhle - tho Greetzill - to Gretzijl ".

Das Siel von 1406 ist nicht mehr genau zu lokalisieren.


1460 ist urkundlich erfasst, dass Junker Ulrich ( Cirksena ) ein Siel bei der Burg hat anlegen lassen:

" Im sulven iaer - 1460 - leet ook Junker Ulrich ( Cirksena ) den groten Zyhl in der Grete by der Borch leggen, daer vor hem geene gelegen hadde, up datmen den Zyhl vor dat huys bescheten und vordedigen kunde ".

Explizit wird hier festgehalten, dass der Sielbau in der Nähe zur Burg auch der Verteidigung der Sielanlage dient.


Karte: Greetsiel 1623 als Befestigungsanlage - ein altes Siel ist am Ende des von Norden kommenden Deiches erkennbar.

 (Quelle: aus: J. Ohling, Die Acht und ihre 7 Siele, Seite 117 )



1605 wird ein Siel am Pilsumer Sieltief in Greetsiel errichtet, dass das alte Angewehrsiel  bei Eilsum ersetzen soll. Standort dieses Siels ist in etwas da, wo heute das "neue" zweite Greetsieler Siel angelegt ist.

Emden sieht durch den Sielneubau in  Greetsiel eine Konkurrenzsituation kommen, bezgl. Fernhandel und behindert den Sielbau, so dass es zu Bauverzögerungen kommt.
1665 zerstörte eine Sturmflut dieses Siel. Ein Neubau kam zunächst nicht zustande, da Emden seinen Einfluss ausübte. Das alte Angewehr Siel bei Eilsum übernahm weiterhin die Entwässerung von Greetsiel - 1727 wird in Angewehr, 3,0 km von Greetsiel entfernt, das Siel abgedämmt.
Durch den Zusammenschluss der Greetmer und Eilsumer Sielacht wird 1675 ein neues Siel im Ortskern gebaut. Ab 1744 verliert Ostfriesland seine Eigenständigkeit und wird Teil Preußens - 1798 wird das massive Steingewölbesiel im Ortskern errichtet. Deutlich zeigt Preußen seinen Machtanspruch durch den preußischen Adler als Sielwappen im Sielbogen verewigt. In diesem Siel sind u. a. auch Steine der gräflichen Burg verbaut



 

Karte 1748 - alte Sielstandorte 


( Quelle: A.Schultze, Die Sielhafenorte, Göttingen 1962, Seite 74)



Der Funktionsstrukturwandel zum Sielhafenort mit Handelsfunktion vollzieht sich verstärkt in der 2. Hälfte des 17. Jh.  Der älteste Sielhafenort an der Küste, Greetsiel, hat zwar seit 1406 die Bezeichnung Siel ( Zyhl ) im Namen, gehört aber erst gut 250 Jahre später zum Typus der Sielhafenorte - zuvor war der Ort mehrheitlich herrschaftliche Residenz von Mitgliedern der Cirksena Familie mit Burg, Kirche und einem Siel.

Sielhafenorte sind nicht agrarisch geprägt, sondern der Handel steht im Mittelpunkt des Geschehens. Das eigentliche alte Siel mit Binnen-u. Außentief hat sich zum Hafenbecken entwickelt. Gewerbe und Kleinbetriebe haben sich angesiedelt, so auch in Greetsiel. 

1798 leben ca. 600 Menschen in Greetsiel. Handel und Gewerbe sind im Sielort gut aufgestellt, für die damalige Zeit ein prosperierender Ort: 5 Bäcker, 2 Branntweinmacher, 1 Böttcher, 1 Glaser, 1 Weber, 1 Radmacher, 1 Schlachter, 3 Schmiede, 14 Schneider und Gesellen , 10 Zimmerleute, 4 Schuster, 1 Ziegler und 14 Schiffer leben im Ort. Dazu kommen 40 Tagelöhner die ihre Dienste im Hafen und im gewerbetreibenden Ort täglich anbieten.


Bilder: Greetsiel als Handelshafen im Binnensielbereich - vor den Ebbetoren


Viehtransport in der Krummhörn / Dorfschiffer in Greetsiel / Kleines Loogschiff ( Frachtschiff ) im Binnensiel , vor den Ebbetoren, in Greetsiel

 

( Quelle: Bild 1. Links:  125 Jahre I. Entwässerungsverband, Emden 2004, Seite 24 / 2. Bild. Mitte ebd. Seite 62 / 3. Bild Rechts: Abfotografie einer Infotafel vor Ort )


Noch 1872 sind in Greetsiel 7 Seeschiffe mit 365 Registertonnen gemeldet. Die Binnenschifferei der Loogschiffer wird bis ins 20 Jh. beibehalten.


Allerdings kommt es oft zu Interessenkonflikten zwischen Binnenschiffern und Bauern - die Landwirtschaft benötigt einigermaßen entwässerte Flächen.

1725 erhebt man den Vorwurf gegen Sielrichter Habbe Richs, der den großen Siel in Greetsiel hat öffnen und schließen lassen, " bloß und allein der Schifffahrt dadurch beförderlich zu sein " ( Quelle; StArchiv 4 B IIp, 128 in Schultze, Die Sielhafenorte, Seite 54 ).

Die Kutterfischerei ( Krabbenfang ) hat sich erst im 20. Jh. entwickelt.



Basisdaten: Altes Siel

Erbaut 1798

Lichte Weite: 4,85 mtr.

Lichte Höhe: 5,75 mtr.

Drempelhöhe:  bei - 2,20 NHN

Klinkermauerwerk auf Pfähle gegründet

Ausbau der Sturmfluttore 1995 ( am Binnensiel ) - die Mauernischen sind noch vorhanden


Fluttore - Sturmfluttore und Ebbetore:

Grundriss, unten, zeigt die 3 Torpaare


Siele mit Ebbetore ermöglichen einen Hafenbetrieb im Binnensiel. Der Sielrichter kann durch den Verschluss der Ebbetore der Binnenschifffahrt " Wasser unter dem Kiel" ermöglichen.

( Quelle: Agsta, Brettschneider, Nieße, 1982, Seite 163)



Altes Siel in Greetsiel 2024





Altes Greetsiel um 1940

( Bildentnahme: Th. Janssen - Die Leybucht, nn, Seite 33 )




Am alten Siel in Greetsiel ( alte Aufnahmen ) 

( Bildentnahme : Bild 1 > Ostfriesland - Zeitschrift, 1974, Heft 1 , Seite 28 )

( Quelle Bild 2 u. 3 - Greetsiel Hafen, Ostfriesland Heft, nn Jahreszahl folgt)


Altes Siel von 1798 in Greetsiel




Das neue ( 2 ) Siel in Greetsiel


 Parallel zum großen Sielbau an der Knock wird 1891 das zweite Siel in Greetsiel fertiggestellt - erste Planungen sind bereits 1877 erfolgt. Die Kosten für das Siel betrugen 246 815 Reichsmark. Die dt. Provinz Ostpreußen lieferte das Bauholz.

Im Zusammenhang mit veränderten Entwässerungsanforderungen, besonders bei der Abnahme des Binnenwasserstandes und einem Anstieg des Außenwasserstandes, ging die Bedeutung des Siels zurück. Durch den Bau das Schöpfwerkes in Borsum ( kl. Schöpfwerk von 1914, dann Bau des großen Borsumer Schöpfwerkes 1929 ) verlor das Siel in Greetsiel zunehmend an Bedeutung im Gesamtentwässerungskonzept der damaligen Zeit.


Basisdaten " Neues Siel ":

Erbaut 1888 - 1891

Massives Steingewölbesiel

Sturm-Sturmflut-u. Ebbetore

Lichte Weite: 5,50 mtr.

Drempelhöhe: -3,15 mtr. NHN

Gründung auf 670 Pfählen

Lage: Nordöstlich der Ortsmitte

Besonderheiten: Ursprl. Ebbe - Holzstemmtore aus Eichenholz, heute aus Stahl.

Stilllegung: 1958



( Quelle: Agsta, Brettschneider, Nieße, 1982, Seite 170 )




"Neues " zweites Siel in Greetsiel 



Zweites Siel und das Schöpfwerk von 1958 - erbaut 1955 - 1957 

( Bildentnahme: Th. Janssen - Die Leybucht, nn, Seite 41 )




Schöpfwerk Greetsiel von 1958


1958 erfolgte die Fertigstellung des Schöpfwerkes in Greetsiel und somit übernahm ein Pumpsystem ( Förderleistung von 3 x 200 KW  von je 4500 Litern pro Sekunde pro Pumpe) die Entwässerung. Die alten Torsiele konnten die Entwässerung in der Krummhörn nicht mehr sicherstellen und zeitgemäße damalige Entwässerungstechnik kam zum Einsatz.

( Quelle: Die Leybucht, Th. Janssen, Seite 41 )



Das Schöpfwerk am neuen ( 2 ) Siel von heute  und 1958

 (Quelle: Gewässerkunde Ostfriesland, Theodor Janssen, Aurich 1967, Seite IV Bildanhang 3)


Alte Sieltore am Deich


Seit 2020 sind die Sieltore kulturgeschichtlich in der maritimen Dorfbegehung eingebunden.

 

Leysiel


Fertigstellung 1991.
Kombiniertes Siel- u. Schleusenwerk - Sperrwerk
Somit ist der Fischereihafen Greetsiel tiedeunabhängig erreichbar 

Vorerst letzte große Sielbaumaßnahme an der Leybucht - Greetsiel



Bauplan:



( Quelle: Die Leybucht, Th. Janssen, Seite 134 )


Basisdaten:


Schleuse: 

Hafenlänge: 170 mtr.

Hafenbreite: 100 mtr.

Notanleger: 60 mtr. ( Kai )

Gesamtbauwerkslänge: 120 mtr.

Lichte Durchfahrtsweite: 14 mtr.

Nutzbare Schleusenkammerlänge: Oberhaupt > 25 mtr. = 2 Kutter - Unterhaupt > 45 mtr. = 4 Kutter 

Größte Kammerlänge: 80 mtr. = 8 Kutter

Drempeltiefe:  - 4,50 mtr NHN ( NormalHöhenNull )

5 Stemmtorverschlüsse


Siel:

3 Sielöffnungen mit je 10 mtr. lichte Weite 

2 Hubtorverschlüsse

Drempeltiefe: -4,50 mtr. NHN


Am Leysiel

 

 

 

Rückblick und Vorausschau


Greetsiel hat jahrhundertelang alle Entwicklungen im Sielwesen durchlaufen. 

Erste Baumsiele, Klapp-u. Pumpsiele sind in der Krummhörn nachgewiesen- es folgten Holztor-u. Steingewölbesiele und anschließend Schöpfwerke.

Das Siel-u. Schleusenwerk - Sperrwerk Leysiel ist vorerst das letzte Großbauwerk im Bereich Entwässerung und Hochwasserschutz. 


Die Klever-Risk Studie  ( Klimaanpassung und Extremwettervorsorge - Verbandsübergreifendes Management von Binnenhochwasserrisiken im westl. Ostfriesland )

von 2023 entwickelt ganz neue Modelle für die zukünftige Entwässerung:  Hightech - Rohrsielmodule, das Urprinzip ähnelt den alten Baumsielen, werden durch den Deich gelegt und führen die Entwässerung zurück von der Zentralität der Mündungsschöpfwerke zur dezentralen Entwässerungsmethode. Auch für das Speicherbecken Leysiel-Leyhörn ist das Rohrsiel eine Option, so die Studie. 

Zugleich bekommt die Trinkwassergewinnung ( Niederschlagswasser ) einen neuen Stellenwert. Die Abführung aller Niederschläge durch den Entwässerungsprozess  in die salzige See ist sicher kein Modell der Zukunft mehr.

Quelle - Klever Risk : https://uol.de/fileadmin/user_upload/proj/klever/KLEVER-Risk/KLEVER-Risk-Ergebnisbroschuere.pdf?v=1682611847



Rückblick früher: Alter Sielstandort Angewehr


Noch bis ins 18. Jh. war das alte Angewehrsiel in Betrieb - erst 1727 erfolgte die Abdämmung.
Mitte des 17. Jh. versuchte die mächtige " calvinistische Kaufmannsstadt " Emden den Sielbau zu verhindern, teils mit Erfolg, denn es kam zu Bauverzögerungen.
Konkurrierende Handelshäfen im ostfr. Bereich waren für Emden ein Novum
.

 


Somit stellte das Angewehr Siel immer wieder temporär die Entwässerung Greetsiels sicher.


Standort: Angewehr Siel - Flurkarte


 

(Quelle: Flurkartendatenbank der Ostfr. Landschaft Aurich - digitaler Auszug )

( Quelle: Kl. Kartenausschnitt : nn nachtragend )


Standort Angewehr: Bildfolge von links nach rechts: 

Alte Brückenreste über das alte Greetsieler Sieltief - Nahe Sielstandort

Alte Sielstelle in Angewehr

Alte Sielstelle - Google-Earth




Blick in die Zukunft: Entwässerungstechnik der Zukunft


Die Klever Risk Studie von 2023, gefördert durch das Bundesumweltministerium, unter Beteiligung des 1. Entwässerungsverbandes Emden, den Entwässerungsverbänden Oldersum und Norden, der NLWKN, der EVA, des Landkreises Aurich und der Stadt Emden. Die Projektbearbeitung führte die Universität Oldenburg, die Jade Hochschule und  das Institut Küste und Raum aus Bremen, durch.


Ein Ergebnis der Studien ist die Entwicklung von Modul-Rohrsielen.


Von der Zentralisierung zur Dezentralisierung im Entwässerungswesen - statt Mündungsschöpfwerke möglicherweise neue Deichrohrsiele.


 Altes Prinzip und neue Technik :  Altes Baum- u.  Klappsiel durch den Deich gelegt - um 1000 n. Chr.

( Quelle: Agsta, Brettschneider u. Nieße. Seite 21 )




 Neue Rohrsiele der Zukunft - Klever Risk Studie von 2023  -

( Quelle: Klever Risk Studie, 2023, Seite 36 )

Seitenanfang Klick